Die Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligt ein dreijähriges Forschungsprojekt zur westdeutschen Geschichte der Historischen Regionalgeographie im 20. Jahrhundert

Das Projekt will einen Beitrag zu einem neuen Geschichtsbild der regionalgeographischen Theorien- und Methodenentwicklung in Deutschland leisten. Jenseits der bisherigen Narrative rund um den Kieler Geographentag von 1969 fragt es auf der Grundlage einer breiten archivalischen Überlieferung danach, wie “das Regionale” in der Zeit vor Kiel konzeptionell verstanden wurde. Dabei steht die historisch-geographische Landeskunde als ein wichtiger Ansatz der Regionalen Geographie im 19. und 20. Jahrhundert im Mittelpunkt der Untersuchung.
Eine solche kritische Dekonstruktion bestehender Fachgeschichtsbilder muss selbstverständlich berücksichtigen, dass es sich bei regionalgeographischen Fachverständnissen vor Kiel zumeist um solche handelt, die zumindest im zeitlichen Zusammenhang mit dem NS-Regime gedacht und weiterentwickelt wurden. Daher werden im Projekt ihre wissenschaftspolitischen, zeitgeschichtlichen und regionalhistorischen Umstände in den Blick genommen, um das Verhältnis von epistemischen Praktiken in der Geographie und den ideologisch-politischen Vorstellungen im Wissenschaftssystem von der Weimarer Republik über die NS-Zeit bis hin zur frühen Nachkriegszeit der Bundesrepublik Deutschland zu verstehen.
Exemplarisch wird das Wirken des Geographen Hans Fehn (1903–1988) untersucht. Als typischer Vertreter seiner Generation arbeitete er intensiv regionalgeographisch und steht stellvertretend für eine historisch-geographische Perspektive innerhalb der Landeskunde. In drei Teilstudien nimmt das Projekt Fehns Forschungspraktiken, seine Projektergebnisse und sein alltägliches Leben und Agieren unter den Rahmenbedingungen des Wissenschaftssystems zwischen 1922 und 1970 in den Blick. Die Teilstudien befassen sich (1) mit den Raumsemantiken und dem Verhältnis von Texten, Karten und Bildern in seinen landeskundlichen Publikationen, (2) mit Aspekten von Materialität, Prozessualität und Historizität in seinen regionalgeographischen Forschungspraktiken und (3) mit einer Kontextualisierung seines Wirkens als Geograph und Landeskundler.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt im Rahmen einer Sachbeihilfe (Eigene Stelle) mit Mittel bis zur Höhe von 301.064 Euro zuzüglich 22 Prozent Programmpauschale für 36 Monate.